Erweiterung der Enterprise Blockchain-Landkarte
In unseren letzten Post haben wir eine Landkarte des deutschen Blockchain-Ökosystems mit Fokus auf die Enterprise Blockchain aus einem aktuellen Projekt - einer Studie - vorgestellt und geteilt.
Heute erweitern wir diese noch um die Aspekte Verteilung der Startups, weiteren Corporate Kooperationen und dem Vergleich zur aktuellen Wertschöpfungskette in Deutschland.
Diese Einschätzungen sind wichtig, um den Innovationsgrad und die Adaptionsgeschwindigkeit einer Technologie zu verstehen. Denn daraus ergibt sich der abgeleitete Handlungsbedarf. Es gibt nämlich große Unterschiede zwischen sektoraler Veränderungen durch technologiegetriebene neue Geschäftsmodelle (M&A zum Ankauf) oder Effizienzschübe durch eine breite Technologieanwendung durch Adaption (Make or Buy eines IT-Prozesses).
Auffällig bei der Blockchain ist, dass bereits jetzt viele große Firmen an dieser Technologie Interesse haben und Schritte zur Implementierung unternehmen. Laufend kommen neue Bekanntmachungen zu Vorhaben mit dieser Technologie. Nahezu alle bekannten großen Firmen haben Proof-of-Concepts erstellt, laut öffentlichen Ankündigungen (und unseren Hintergrundgesprächen) sind weitere geplant.
Stellt sich also die Frage: Wo entstehen Corporate Partnerships? Und wie passen sie in das Gesamtbild der deutschen Industrie?
Bevorzugte Industriebereiche der Blockchain-Startups
Dazu betrachten wir als erstes die Verteilung von Blockchain-Startups in einzelnen Sektoren.
Ausgangspunkt ist die Überlegung, wie von uns bei der Bewertung einer Technologie angewandt, dass sich Startups naturgemäß in Marktsegmenten positionieren, die ein sehr großes Wachstumspotential und Raum für eine Error Margin versprechen. Wo sieht also der Markt die größten Innovationspotentiale? Wo setzen Startups und VCs den Fokus bei Blockchain-Innovationen? Diese Entwicklung stellen wir an Hand einer Grafik dar.
Die Grafik beinhaltet nur kommerzielle Blockchains und solche, die im unternehmerischen Kontext agieren.[1]
Beispielhaft werden nun die Segmente betrachtet, in denen am häufigsten Blockchain-Startups anzufinden sind. Die größte Einzelgruppe bilden Startups im Bereich Unternehmensdienstleistungen, gefolgt von Finanzen und Versicherungen, Information & Kommunikation, zuletzt Energie. Dies überrascht nicht, sind es doch die Bereiche, in denen man die größte Disruption vermutet.
Die restlichen 40% setzen sich aus diversen anderen Marktsegmenten zusammen
Nachdem nun also die Übersicht erstellt wurde, in welchen Sektoren Startups die meisten Chancen sehen, betrachten wir, welche Sektoren bereits die Technologie aufgenommen haben.
Blockchain im Kontrast mit der deutschen Wertschöpfungskette
Nun ist die Blockchain ein globales Phänomen und die deutsche Wertschöpfung weniger auf Finanzunternehmen ausgelegt. So ist für eine Aussage über das Potential/den Stand in Deutschland zu betrachten, wie die Schwerpunktlegung im Vergleich zur Wertschöpfung der deutschen Industrie im Allgemeinen ausschaut.[2]
Prüft man die Bereiche, in denen Blockchain-Start-Ups gegründet werden, im Hinblick auf den Anteil der Sektoren am Bruttoinlandsprodukt, fällt einiges auf: Unternehmensdienstleistungen, Finanzen und Information & Kommunikation weisen einen größeren Prozentsatz an Gründungen als ihr Anteil an der allgemeinen industriellen Landschaft auf. Dieser "Überrepräsentierung" steht die Energieindustrie gegenüber, die im Bereich Blockchain weniger stark auftritt, als man anhand der Wertschöpfungsverteilung annehmen könnte.
In erster Linie ist all dies ein Indikator dafür, wie die jeweiligen Industrieakteure, aber auch Kapitalgeber und Gründer die Erfolgschancen und das Marktpotential in diesen Bereichen einschätzen. Insofern ist die Häufung von Startups in einem Segment keine Anomalie, sondern zeigt, dass dieser Sektor durch die neue Technologie eine starke Veränderung erfahren wird.
Allerdings ist der Vergleich mit Aktivitäten von etablierten Unternehmen sehr interessant..
Corporate Partnerschaften in Deutschland für Enterprise Blockchains
Ein Blick auf die Corporate Partnerships zeigt recht gut das Interesse der großen Unternehmen aus allen Sektoren.
Tatsächlich sind die (klassischen) Industriesektoren relativ breit gestreut vertreten. Die Bereiche Energie, Finanzwesen und Fahrzeugproduktion stechen ins Auge. Ankündigungen und Projekte aus dem Mittelstand sind allerdings noch sehr selten.[3]
Wo sind die Fahrzeughersteller und Zulieferer?
Auf der Landkarte sind einige Automobilhersteller zu sehen. Dennoch stellen wir die Frage nach dem Status und dem Grund für vergleichsweise wenigen Projekte. Der Grund dafür ist die gesamtvolkswirtschaftliche Bedeutung dieser Branche.
Hier ist das Thema Blockchain noch nicht aufgenommen. So hat eine Umfrage ergeben, dass nur jede dritte Führungskraft in der deutschen Automobilindustrie von der Technologie Blockchain gehört hat (Bitkom, Stand: Ende 2017).
Andererseits wurde von führenden Autoherstellern das Blockchain-Konsortium MOBI gegründet, jedoch ist der Gründungszeitpunkt Mai 2018 noch recht jung. Natürlich sind auch die Projekte zu nennen. Allerdings sind die Beispiele (Porsche: Schlüssel und Ladeinfrastruktur, ZF: Zahlung Ladeinfrastruktur) nicht unbedingt Beispiele für Kernkomponenten wie z.B. Applikationen rund um das Bordnetzt (Automotive Ethernet) der Automobilindustrie.
Das Bild der Lücke bei Automotive oder im produzierenden Gewerbe im Hinblick auf die volkswirtschaftliche Bedeutung verstärkt sich aber, wenn man die These aufstellt, dass das primäre Interesse der Industrie an der Blockchain nicht an Geschäftsmodellen fest zu machen ist, sondern an dem Enabler möglichst geringer „Transaktionskosten“ bei hoher Sicherheit und vielen dezentral bewegender Nutzer [4]. Die Vorstellung ist eine Art Grundlagenprotokolltechnologie, die man möglichst kostengünstig nutzen und dann für die Vernetzung - beginnend mit der Ladeinfrastruktur, Wartungsdokumentation (z.B. wichtig für Leasing) dem Bordnetz und den resultierenden Vernetzungsfragen für autonomes Fahren - anwenden kann.
Da dies sehr tiefe Eingriffe in die bisherige Wertschöpfung sind, wird vorsichtig heran gegangen.
Diese Aussage deckt sich mit Gesprächen mit Firmen in diesen Branchen, die im Durchschnitt (nicht repräsentativ) angeben, die Blockchain zu beobachten, aber noch abzuwarten, da man primär an Kostenvorteilen interessiert ist und vor allem verstehen möchte, wie die langfristigen operativen Kosten der Technologie wirklich ausschauen.
Dennoch lässt sich bereits jetzt festhalten, dass viele Industrieunternehmen, denen normalerweise nachgesagt wird, aktuellen Entwicklungen hinterherzulaufen, großes Interesse zeigen. Dies wird primär, so die Sichtung der Projekte, durch erhoffte Kostenersparnisse hervorgerufen.
Die großen Ziele der Blockchain - realistisch?
Viele Blockchain-Startups haben nicht weniger als eine komplette Revolution der Märkte in denen sie agieren postuliert. Konservativere Einschätzungen sagen zumindest signifikante Kosteneinsparungen voraus. Wer letzten Endes richtig liegt, lässt sich zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht sagen.
Die Tatsache, dass, teils sehr große, Marktteilnehmer beginnen mit Enterprise Blockchains zu arbeiten lässt aus Innovationssicht folgende Aussagen und Möglichkeiten zu:
Auf der einen Seite sinken die Chancen von Startups, wenn der Bereich von großen Firmen früh besetzt wird.
Auf der anderen Seite wird die Blockchain als IT-Basistechnologie, wenn sie denn die erhofften Vorteile biete, wesentlich schneller ein „must have“ in etablierten Industrien, als in anderen Technologie Zyklen. Damit erhöht sich der Handlungsdruck für Followern und Middle und Late Adaptern.
Umso wichtiger ist es für die Entscheidungsträger in diesem Bereich, auf dem Laufenden zu bleiben, und sich rechtzeitig über Chancen/Risiken und Kosten der Blockchain zu informieren.
Fußnoten:
[1] Die Übersicht basiert auf der Publikation
Friedlmaier, Maximilian and Tumasjan, Andranik and Welpe, Isabell M., TU München - School of Management, "Disrupting Industries With Blockchain: The Industry, Venture Capital Funding, and Regional Distribution of Blockchain Ventures" (September 22, 2017). Proceedings of the 51st Annual Hawaii International Conference on System Sciences (HICSS), January 2018. Forthcoming.
[2] Daten: Statistisches Bundesamt
[3] eigene Recherche: Blockchainprojekte und Start-ups in Deutschland. Mai/Juni 2018
[4] Ergebnis von Gesprächen und Projektdiskussionen im Bereich Ladeinfrstruktur. Der gleiche Eindruck ergibt sich allgemeine bei einer Auswertung von 20 Studien von z.B. Accenture, PwC, McKinsey. DIe meisten Industrieanwendungen wirken als eine Mischung aus IT-Modernisierung und Anwendung.
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Blockchain bei Iceventure
Schon seit einiger Zeit beschäftigen wir uns mit der Blockchain; speziell zum Thema Enterprise Blockchain veröffentlicht Iceventure Ende des Jahres eine Studie.
Erste Eindrücke und Fragestellungen dazu finden sie in unserem ersten Post zum Thema. Es stellt sich die Frage nach Kosten/Nutzen der Blockchain im Einzelfall.
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