Die Aktivitäten rund um GameStop finden großes Echo in der Presse. Nun ist Deutschland kein Land mit ausgeprägter Kapitalmarktkultur angelsächsischer Art, und für die meisten unser industriellen Kunden solche Geschichten von Tradern ohne Auswirkung auf das Geschäft. Dennoch greifen wir das Thema im Rahmen unserer Global Macro Analyse und auch der Dienstleistung Technologiebewertung auf, da eine Reihe von interessanten Informationen aus den Geschehnissen und den beteiligten Technologiefirmen zu filtern sind.
Was ist bei GameStop und den involvierten Hedge Funds passiert:
Privatanleger, die sich in online z.B. in Foren verabreden bestimmte Werte zu kaufen, haben den Kurs einer Aktie nach oben getrieben und damit einen sogenannten Short Squeez verursacht. Dieser entsteht wenn ein Leerverkäufer gezwungen wird seine Position glatt zu stellen und wegen einem engen Markt zu jedem Preis wenig vorhandene Aktien kaufen muss.
Im Umfeld dieser Aktionen wurden bei Privatanlegern beliebte Broker, die primär durch eine App arbeiten, der Handel eingeschränkt.
Wie auch immer über die Ereignisse berichtet wird, sind die Abläufe auf den ersten Blick nicht überraschend. Wichtig ist diese Einzuordnen. Die wichtigsten 5 Erkenntnisse hier zusammengefasst.
1) Nicht wirklich etwas Neues
Die Verabredung zu gemeinsamen Käufen,
um den Kurs hochzutreiben ist an Finanzmärkten nicht wirklich etwas Neues. Auch wenn zum ersten Mal Kleinanleger das über das Internet tun, um einen HedgeFund in die Knie zu zwingen. Streng genommen könnte man es als eine Form der Marktmanipulation bewerten. Dies auch, wenn die juristische Handhabe der SEC in diesem Fall gering ist. Die Beweggründe, oder vermeidlich edle Motive, spielen dabei keine Rolle.
Problem ist, dass auch unter den Akteure in den Foren nicht klar ist, wer welche Position hat. Für viele Neu-Trader könnte das Ganze auch nach hinten los gegangen sein.
2) Die Entzauberung der Fintechs
Dies ist eine von mir und Iceventure im Rahmen von Technolgiebewertung bereits öfter formuliert worden. Was ist das Kernproblem: Finanzmarktprodukte und deren Anbieter folgen in erster Linie den (kontextuellen) Regeln von Finanzintermediären, nicht von Technologie. In 90% der Fälle ist Technologie nur eine Unterstützung. So auch bei den Trade-Apps. Mit anderen Worten Auch die Anbieter der Trading Apps sind nichts anderes als Broker, die nur aktuelle Technologie benutzen.
Das Geschäftmodell mit allen Risiken eines Brokers sind unabhängig von der Technologievorhanden. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit wird es einen Passus in den AGBs geben der das Aussetzen des Handels erlaubt. Die angeführten Gründe klingen plausibel. Die Aufsichtsbehörde verlange höhere Sicherheitsleistungen. Ältere Leser erinnern sich vielleicht noch an die erste Welle der Deregulierung von Finanzintermediären in Deutschland/Europa. Plötzlich gab es Onlinebroker, gekoppelt mit dem neuen Markt in Deutschland und ähnlich gelagerten Marktsegmenten. Überlastung der Systeme bei Zeichnungen keine Seltenheit.
Interessanter war da schon die Lehre von 2008, Leman Brothers, daher auch professionelle Anleger plötzlich betroffen waren.
3) Indikator für zukünftige Entwicklungen mit Auswirkung für Industrien
Die aktuelle Situation an den Finanzmärkten hat dann auch praktische Bedeutung für Entscheidungsträger. Gibt es doch Anzeichen, dass die „Informationsfunktion“-Funktion gestört ist. Hintergrund ist, dass Kurse wichtige Informationen auch für die reale Wirtschaft enthalten kann, wenn man den Aktienkurs als Verarbeitung von Informationen und eine Bewertung der Zukunft betrachtet
Dies kann man z.B. am Beispiel von Tesla argumentieren. So posteten selbst gestandene Professoren mit Industrie (nicht Finanzmarkt-Hintergrund, die Bewertung von Tesla als Indikator des Endes der deutschen Automobilindustrie.
Doch ist diese Informationsverarbeitung bei Tesla immer noch der Fall? Denn die Bewertung und die dafür angeführten Argumente sind teilweise nicht mehr fundiert.
Das heiß natürlich nicht, dass Tesla kein spannendes Unternehmen ist. Aber es kann auch überbewertet sein. Und diese Bewertung wird anscheinend primär Privatanlegern befeuert. Diese Entwicklung wurde durch den jüngsten Aktiensplit (gezielt?) unterstützt.
Dies ist sicher auch der Grund, warum Elon Musk öffentlichkeitswirksam gegen Short Seller beispringt.
Was ist dann mit der Informationsbewertung auf der Käuferseite. Denn die Zahlen und Umfragen zur Kaufbereitschaft von E-Autos sind nach wie vor auf niedrigem Niveau.
Das hat eine Relevanz, denn neben dem Szenario „Tesla als absoluter Marktführer“ gibt es viele Szenarien mit „bunten“ Positionierungen.
4) Qualitative Signale zur Einschätzung des aktuellen Zyklus
Schon seit langem ist eine Überbewertung in öffentlichen Märkten zu sehen und unter Finanzmarktbeobachtern von einer Blase die Rede.
Ein qualitatives Signal, dass diese Einschätzung bestätigt, ist, dass nun Privatanleger im großen Stil (zumindest an den US-Börsen) handeln. Dies ist immer ein qualitativer Indikator, dass ein Bullmarkt zu einem Ende kommt eine Trendumkehr bevorsteht.
5) Fehlbewertung in öffentlichen Märkten nur die Spitze des Eisbergs?
Bis zu diesem Punkt wurden primär Bewertungen in öffentlichen Märkten diskutiert. Doch welche Schlussfolgerungen lassen sich aus Fehlallokationen in öffentlichen Märkten für private Märkte ziehen? Denn auch in privaten Märkten gibt es eine Reihe von Entwicklungen, die zur Nachfrage Anlass geben. Ich hatte einiger der Punkte Ende letzten Jahres in dem Artikel "Der Wendepunkt im Zyklus - Erfahrungen aus Technologiefinanzierung und VC 2020"aufgeführt. In einer realität in der Notenbankgeld in Kapitalmärkte fließt, ist die Frage ob auch innovative Firmen überbewertet sind. Die Folgen davon sind nicht trivial, da es heißt, dass für Innovation zu viel gezahlt wird.
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