Es ist Ende eines verrückten Jahres, in dem Covid-19 und die Auswirkungen das bestimmende Thema war und ist. Das ist nicht verwunderlich, aber andere wichtige Themen geraten so in den Hintergrund. So kommt in vielen Videokonferenzen und Telefongesprächen mit Kunden die Frage für 2021 auf: was ist die nächste große Sache, das nächste große Thema, die nächste Technologie?
neue Technologien beginnen mit dem Ende von alten Technologien?
Eine Möglichkeit darüber nachzudenken, ist zu eruieren, welche Technologie aktuell an einem Endpunkt angekommen ist und welche Produkte bzw. Produktkategorie dies beeinflusst.
Diese Technologie ist in unseren Augen, 15 Jahre nach dem Start dieser Kategorie und dem Durchwandern der S-Kurve, Smartphones. Alles was in dieser Kategorie (z.B. Klapphandy, Bildschirmgröße, Tastatur) offensichtlich als Produkt oder Feature möglich war, wurde realisiert. Auf der Wettbewerbsseite haben Google mit Android und Apple mit dem iPhone und iOS gewonnen, Windows Phone und Nokia sind Geschichte. Das ist der Grund, warum das neue iPhone nicht besonders aufregend ist. Das ist der Grund warum das neue Surface Neo, spannend ist, aber bereits heute ein Nischenprodukt ist.
Welche Produktinnovation löst also das Smartphone ab – Technologiebewertung?
Die Frage ist also komplexer.
Denn eigentlich ist die Frage nicht nach einem Produkt oder einer Technologie allein, sondern nach der nächsten dominanten Plattform, die ähnlich hohe Stückzahlen bzw. ähnlich viele Konsumenten erreicht. Und – so in unseren Augen - es ist auch die Frage nach dem nächsten Schritt in der Digitalisierung des Alltags, einem dominanten Trend.
Um die Bedeutung dieser Frage nachzuvollziehen, hilft es kurz den Entwicklungspfad hin zu Smartphones als Mini-Computer grob nachzuzeichnen. Am Anfang standen reine Lösungen für Unternehmen (Großrechner, Mainframes). Dann kam der PC, Tablett und das Handy bzw. Smartphone. Das spannende ist, das jede der aufgezählten Technologien/Produkten eine größere Zahl an Konsumenten erreichte. Heute haben ca. 3,5 bis 4 Milliarden Menschen ein Handy, was bei ca. 5,1 Milliarden Erwachsenen eine Abdeckung von zwischen ca. 70% bis 80% entspricht.
Diese Zahl allein zeigt zwei Aspekte: Sie zeigt die Wucht dieser Technologie und der der dahinterstehenden Plattformen. Und, um weiter wachsen zu können, würden die Hersteller sehr bald mehr Menschen benötigen. Das ist die ökonomische Bedeutung der Kategorie Konsumertech.
Ein weiterer Aspekt, der - für uns mit Sitz in Deutschland - von Bedeutung ist: Aus Sicht europäischer und deutscher Firmen zeigt es den Unterschied zwischen old und new economy und was Softwareisierung bedeutet. Dazu habe ich diese Graphik, die wir vor einigen Jahren für Kunden veröffentlicht haben, noch einmal aktualisiert (jetzt Daten von 2019) und eingefügt.
Diese zeigt die jährlichen verkauften Stückzahlen von Smartphones gegenüber der Stückzahl von Autos.
Die nächste wichtige Technologieplattform als Weiterentwicklung von bestehenden Technologien
Doch beantwortet dieser Hintergrund noch nicht die Frage. Der erste Ansatz, um eine Antwort zu geben, ist entlang der Erfahrungskurve von im Silicon Valley „innovierter“ Plattformen nachzudenken.
Diese Erfahrungskurve sagt, dass jeder große Markt und jeder Technologie- „Layer“, am Ende ein Marktsegment geschaffen hatte, das nach dem Ende der Dominanz der Technologie allerdings erhalten blieb. Aber auch, dass mit der neu geschaffenen, dann alt gewordenen Technologiegrundlage, in der nächsten Iteration (in der Regel hin zum Endkunden) mit Innovation eine größere Kundenschicht erreicht werden konnte. Auch wenn es vereinfacht argumentiert ist, ist die im Raum stehende Idee, dass der PC zu Windows, dann zum Tablett und Smartphone, zu Android, Internet für Forschungslabore zur Cloud, dann zum zu Breitband und heute 5G führte. Und jedes Mal wechselte der führende Tech-Konzern.
Welches Produkt, welche Technologie könnte also ca. 5 Milliarden Handys weltweit fortsetzten? Vielleicht ist es die Technologie Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR). Aber kann diese Kategorie einen größeren Markt als das Smartphone aktivieren? Am Ende sind es Smartphones mit einer weiteren Funktion. Sind das heute Funktionen, die der Endkunde haben möchte? Sowohl AR als auch VR haben noch keine Killer-Applikation, bzw. sind Vorstellungen von dem Endprodukt noch weit vom machbaren entfernt.
Neue Technologien werden in Laboren und Forschungseinrichtungen entwickelt …
Die zweite Möglichkeit ist zu untersuchen, welche Technologien und Innovationen grade in der Forschung und Entwicklung von kleinen und großen Firmen (oder Universitäten) ist, oder/und von VC finanziert werden.
Das Problem, ist, die Auswahl ist riesig. Hierzu eine Folie aus unserem Training zu Technologietrends, die natürlich nur eine Auswahl ist.
Welche Aussage lässt sich festhalten? Es gibt eine große Menge an interessanter neuer Technologie und Innovation. Quasi jede Woche gibt es einen neuen Megatrend, der durch die Medien läuft und ein eigenes Ökosystem für sich reklamiert. Aber, so auch immer die Frage unserer CTOs/CIOs in Diskussionen zu Technologietrends, was davon ist wirklich relevant, aka hat eine große Wirkung?
Das zeigt auch die „Schwäche“ der Folie und der Mediendiskussion oder dem Folgen eines HypeCycles. Trends nebeneinander gestellt ist keine Einordnung, die Abgrenzung einzelner Segmente verlangt Denkarbeit und Definitionen. Welche Aussagen lassen sich aus der Folie abgeleitet für die „nächste Große Zukunftstechnologie“ treffen? Künstliche Intelligenz ist es sicher, ist aber eine Technologie-Kategorie kein Produkt. Vermutlich jede Software wird KI-Elemente erhalten. Wie dies aussieht, welche Netzwerkeffekte es gibt ist pro Kategorie/Segment zu untersuchen. Das macht KI aus Sicht des Technologieberaters neben den Anwendungsmöglichkeiten selbst so interessant.
Das autonome Auto und Autonomes Fahren ist ein Produkt, oder zumindest ein wichtiges Feature eines bestehenden Produkts. Aber bis zur Realisierung ist es noch ein weiter Weg.
Vielleicht sind es Roboterskelette, die viele Menschen tragen werden. Aber auch das ist eine Zukunftsvision, noch kein gängiges Produkt.
Auch der Blick in die Labore weist im Moment nicht klar den Weg.
Hilft ein Perspektivenwechsel bei der Analyse?
Vielleicht ist ein alternativer und besserer Ansatz, um die Frage zu beantworten, die Ebene der Argumentation und Analyse zu wechseln. Wäre es für die „nächste große Sache“, sinnvoller in Technologieketten zu argumentieren und zu suchen?
Servertechnologie (und Open Source Innovationen drum herum) brachten die öffentliche Cloud, was zu SaaS führte. Und jetzt Blockchain!? Das ist sicher eine Möglichkeit. Doch dann müsste auf dieser Aufzählung auf jeden Fall wieder Machine Learning im Vordergrund stehen, noch vor der Blockchaintechnologie.
Und für eine Person wie mich und dem Team von Iceventure, die seit vielen Jahren mit der Cloud/SaaS gearbeitet haben, ist Cloud und SaaS fast schon langweilig. Nach wie vor sind aber nur ca. 25% der Workflows von großen Firmen in die Cloud gewandert. Das Thema digitale Zusammenarbeit ist - dank Covid-19 - erst jetzt breit ins Bewusstsein getreten.
Diesen Punkt, Digitalisierung, der oben bereits angesprochen wurde, möchte ich an dieser Stelle aufgreifen. Es ist ein Trend, der im Allgemeingut übergegangen ist. Digitalisierung für einen Turbinenhersteller ist aber anders als für einen Einzelhändler, bei gleichzeitigen Überschneidungen. Der Trend ist also einfach zu bestimmen, der Effekt im Einzelfall/für eine Industrie bedarf der genauen Untersuchung.
Noch eine Alternative ist folgender Ansatz aus unserer volkswirtschaftlichen Beratung und der Praxis: Smartphones sind bedeuten, da damit Rechenpower miniaturisiert wurde. Das Argument für diese als Produktkategorie mit hoher Nachfrage war, dass sie Kommunikation ermöglichen, ein menschliches Grundbedürfnis, die Produktivität ermöglichen und Grenzen für Anbieter eingeebnet haben. Dies ist gut für Innovation und Absatzmärkte. Doch was ist mit Arbeitsproduktivität? Diese ist nicht unbedingt gestiegen. Noch bin ich der Meinung, dass das Argument, das Smartphones und Software darauf in jedem Fall produktivitätsfördernd sind. Auch nicht Tabletts. Produktzyklen grade im Endkundebereich folgen Trends. Schwingt also das Pendel zurück und es dauert, bis ein Konsumenten-Produkt wieder so wichtig wird?
Was ist also die nächste große Welle, die Arbeitsproduktivität erhöht? Bestätigt sich unsere These der vergangenen Jahre, dass wir einen Schwung zurück zur B2B Tech sehen?
Wir haben also mehr Fragen als Antworten.
Ein letzter Punkt: Es wird gerne argumentiert, dass Smartphones (und damit Google) als Synonym für Digital die neue, dominante Technologie sind. Ich bin der Meinung, dass das Auto nie aufgehört hat, ebenfalls eine dominante Technologie zu sein. Das ist interessant. Zuerst haben wir die Autos produziert, dann die Infrastruktur drum herum gebaut. Der Discounter ist möglich, weil Menschen mit dem Auto dorthin fahren können. Global wichtige Ballungsräume, für sich eigene Ökosysteme, sind entstanden, da Pendler von A nach B kommen. Das hat sich nicht geändert.
Was kann man also rund um 4 Milliarden Menschen mit einem Smartphone bauen? Wir wissen es noch nicht, aber ein Vorschlag ist, dass das nächste große Ding rund um Smartphones entsteht. Oder Autos, oder … die Verschmelzung von digital und physischen Produkten.
Schauen wir dazu nochmal auf die Grafik von oben, aber etwas anders dargestellt. Wenn man nicht nur die Stückzahlen, sondern die Installationsbasis und die Wertschöpfung, gemessen in Umsatz anträgt sieht man ein interessantes Bild. Diese Grafik ist die Erklärung, warum jeder Technologiekonzern aus dem Silikon Valley unbedingt in der „old economy“ und dem Segment Auto dabei sein möchte.
Das Ende von Digitalisierung ist benannt
Ein wichtiger Schlussgedanke zu Beginn 2021 möchte ich noch einbringen. Als Technologiebewerter stellt sich die Frage, wann Digitalisierung ein Ende erreicht. Die einfache Antwort ist, dann wenn Software langweilig wird. Das ist ein wackeliges Konzept und eine einfache, pauschale Aussage. Was heißt das? Wann ist der Punkt erreicht? Ich bin der Meinung, wenn die Möglichkeit, als ES ausgesprochen ist. Die Möglichkeit formuliert wurde, dass junge, intelligente Menschen sagen, Code ist old school (und z.B. Kernfusion viel aufregender ist – in Anlehnung an Peter Thiels These, dass das Innovationstempo weit zurückgeblieben ist. Zum ersten Mal im letzten Jahr wurde diese Aussage (neben mir) öffentlich getätigt. https://www.youtube.com/watch?v=4KSAihd958A (ab 22:12).
Einen guten Start in 2021
Fußnoten und Quellen:
[1] Schätzungen basierend auf der Gesamtbevölkerung und dem Prozentsatz von Erwachsenen (ab 15 Jahre) Quelle: UNO und Population Reference Bureau
[2] Verkaufzahlen Autos https://www.oica.net/category/sales-statistics/ und weltweiter Autobestand