Dott. Arnbjörn Eggerz
geschrieben von 
16. Februar 2015
Freigegeben in Blog

Eurokrise Griechenland vs. EU die tiefere Bedeutung dieser Verhandlungen Update 022015

Die neuesten Entwicklungen nach den Neuwahlen in Griechenland machen ein Update der Situationsbewertung in der Eurokrise notwendig.

 

 

Fehlerhafte Einordnung der Situation durch die dt. Presse

Eurokrise Griechenland Grexit

Während die deutsche Presse primär das Verhalten der Griechen in der Kategorie „Vernuft" gemessen an Einhaltung des Spardiktats einordnet, trifft diese Berichterstattung nicht den Kern des Problems, dass die Entwicklung mit Griechenland darstellt. Schlimmer noch, die tatsächliche Tragweite der Aktionen wird falsch eingeschätzt.
Denn bei den Verhandlungen mit Griechenland geht es nicht um die Frage, ein Land „zur Vernunft" im Hinblick auf Finanzen zu bringen, oder den griechischen Ministerpräsidenten seine und die Bedeutung von Griechenland gegenüber den Gläubigern deutlich zu machen. Es geht um den politischen Preis für die Beibehaltung der Eurozone und um das Versagen der europäischen Krisenpolitik.

Die aktuellen Entwicklungen sind nichts anderes als eine Zäsur, die durch eine signifikante Verschiebung des Politikfokus gekennzeichnet ist.

Warum dies so ist, wird im Folgenden kurz erklärt: Ausgangspunkt ist die fehlerhafte Annahme, dass es (speziell für schwächere) Länder keine Alternative zum Euro gibt, d.h. ein z.B. GREXIT nicht rational sei. Dem ist aber nicht so. Bereits letztes Jahr habe ich als Antwort auf Thomas Straubhaar und seine Aussage, dass der EURO unumkehrbar sei, geschrieben, dass in einem multilateralen Verband wie dem Euro durchaus eine Ausstiegsoption gibt. Das Haupt- oder Gegenargument zum Ausstieg ist, dass dafür die Kosten für Griechenland (und auch andere schwache Partner) zu groß seien. Dieses Argument mag zwar punktuell stimmen. Dieser Zustand ist aber über Zeit nicht unumkehrbar.

Der Punkt, an dem die Vorteile die Kosten des Euroausstiegs überwiegen - GREXIT

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Wie damals erläutert werden nämlich ..." die Kosten von Option A [Euroausstieg] gegenüber der Akzeptanz des Faktischen (...) in einem dynamischen Umfeld ständig neu und vom eignen Standpunkt aus individuell bewertet und dem potentiellen Gewinn der Austrittsoption entgegengestellt." Dies zumindest solange es kein Eurobonds gibt.
Dieses Argument möchte ich hier tiefer erläutern, um die Entwicklung einordnen zu können. Konkret ist die realpolitische Situation so, dass die Politik jedes Landes die Kosten und Folgen eines Euroaustritts fürchtet. Zum einen sind das für die jeweilige Regierung die ökonomischen Kosten, aber AUCH die politischen (quantifizierbaren) Kosten. Am Anfang der Krise waren die realpolitischen Kosten in Form von Wohlstandsverlust wie auch die politischen Kosten z.B. in Form eines Wahlverlustes extrem hoch. Über Zeit sind aber die politischen Kosten stark gesunken.

Der Kontext entscheidet über Bewertungen der Ausstiegskosten und Gewinne

Dafür muss man sich die Situation des jeweiligen Landes vor Augen führen: Griechenland ist seit 2008 Jahren in der Rezession. Eine Studie der UBS spricht von ca. 25% BIP Verlust1. Die Schulden gemessen am BIP sind bei ca. 175% (Stand 2013/Schätzung)2. Der Weg einer Abwertung ist nach wie vor versperrt, auch wenn man an dem Erfolg einer Abwertung zur Krisenbewältigung bei einem bestimmten Schuldenlevel (siehe z.B. die Analyse über Island) streiten kann.

Die Situation der Bevölkerung ist durch die Einsparungen immens schlecht. Auch das wird in den deutschen Medien gerne weggewischt. Schauen Sie sich das verlinkte Youtube-Video zur Wahlberichterstattung an, um einen Eindruck eines Wahlkamps zu bekommen, wenn die Nerven der Menschen blank liegen (achten Sie auf die Sprechchöre und die Szenen, wo von hinten Reporter bedrängt werden). Plötzlich liegen historische Vergleiche nahe.

Die wahre Verhandlungsmacht von Regierungschef Alexis Tsipras

In dieser Situation hat Regierungschef Alexis Tsipras alle Handlungsoptionen auf seiner Seite. Er hat innenpolitisch die Möglichkeit, die Schuld für die Situation und unangenehme Konsequenzen seiner Politik auf die vorherige Regierung zu schieben. D.h. seine politischen Kosten sind deutlich gesunken. Zum zweiten ist klar, dass Griechenland niemals ohne einen Schuldenschnitt ökonomisch auf die Beine kommen wird. Der Euro-Austritt ist dabei zweitrangig und nur ein Weg zum/beim diesem. Das eröffnet Tsipras eine weitere Option, denn bei der Wahl zwischen zwei Übeln, ist zum einen jede Veränderung besser als keine und er kann die Konsequenzen und Schäden auf eine äußere Macht schieben. Das ist sein außenpolitischer Joker. Denn der EURO-Ausstieg ist dabei ein ideales Druckmittel, zumal die Zugehörigkeit für Griechenland inzwischen ein reines Sekundärziel angesichts des Schuldenlevels geworden ist.
Genau in dieser Situation, die wir beobachten, findet der Paradigmenwechsel statt. Ein Austritt aus dem Euro bedroht nämlich damit heute wesentlich weniger Griechenland, als die EU-Krisenpolitik im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen. Zudem alle Länder im Euroraum in einer ähnlichen Situation genau auf die Reaktionen achten werden. Wir erleben also, die Verschiebung von politischer Machtanwendung als Rahmen wirtschaftlicher Entwicklung (in einem gewissen Sinne als das Ende des Primats der großen Firmen über die Politik der 90er) hin zur Machtanwendung zum Machterhalt der Politik selbst.

Die Konsequenzen für Griechenland

Die EU hat damit eigentlich nur die Option den Härtegrad der Verhandlung zu wählen. Zu erwarten ist also, dass Tsipras sich mit seinen Forderungen zum Teil durchsetzt. Entscheidend ist hier, dass wir nicht mit direkten, sondern mit indirekten Haircuts für Gläubiger rechnen können. Denn in der Politischen Arena ist „Default" im Gegensatz zu Unternehmen auf vielen Wegen möglich und die Illusion der Zahlungsfähigkeit muss aufrechterhalten werden.
Natürlich wäre auch die Verhandlungsposition der unnachgiebige Haltung, um ein Exemple zu statuieren, denkbar. Es stellt sich nur die Frage nach der Drohkulisse und dem richtigen „Zuckerl" für die griechische Regierung. Damit wäre allerdings die nächste „rote Linie" für das worst case Szenario zum Ende der Eurozone und im zeitlichen Ablauf der Schritte zur Auflösung überschritten.

Die Konsequenzen für Unternehmen in Deutschland und anderen Euroländern

Für unsere Kunden in Deutschland bedeutet diese Entwicklung nichts Positives.

Mit dieser Verschiebung des Politfokuses wird der sowieso bereits geschwächte Handlungsmaßstab „ökonomische Vernunft" von der Politik noch weiter verlassen. Die Aktionen der Politik für Unternehmen damit noch unberechenbarer. Dies erzeugt in der Summe eine Form von Volatilität, in der die üblichen strategischen Planungen und Tools, die in den letzten 30 Jahren erfolgreich waren, nicht ausreichen. Zudem bindet das Beibehalten von Griechenland politische und monetäre Kapazität, die anderswo fehlt.

Mehr noch als die Ereignisse um Griechenland selbst, ist es aber erschreckend zu sehen, dass anscheinend die Zeit von Seiten der EU nicht genutzt wurde, um diese absehbare Situation vorzubereiten.

Eine denkbare Möglichkeit zum Abschluss des Artikels wäre EU-Hilfe, bei der Verfolgung griechischer Vermögen im Ausland. Auch wenn es im Falle von Griechenland vielleicht angebracht ist, wäre dieses Signal fatal. Eine Ausweitung auf die ganze EU wäre nur eine Frage der Zeit und bedeutet konkret Verstärkung des Steuerdrucks und damit der deflationären Tendenzen. Zumal die Sinnhaftigkeit der Steuerverwendung stark angezweifelt werden darf.

Ein sinnvoller Schritt wäre nach wie vor das Hinwirken auf eine Art europäischen Marschallfund zur Förderung von Start-ups und wirtschaftlicher Entwicklung. Aber auch mit solchen Maßnahmen bleibt, basierend auf 10 Jahren Start-up und Startupökosystemberatung, ein Schuldenschnitt unausweichlich.

Danksagung - 10.03.2015
Vielen Dank an das Team vom Griechenlandblog für eine Verlinkung zu dem Artikel. Der Blog kuratiert Artikel zu Griechenland und bietet eine gut gefilterte Auswahl.

Quellen & Fußnoten:
1) Die Studie der UBS wird in diesem Artikel zitiert und durch dieses Paper des Levyinstitutes bestätigt. Siehe auch diese von Google aufbereitete Weltbankstatistik.
2) CIA Factbook zu Staatschulden im Vergleich.
3) Hintergrundlektüre: UBS zu

A. Eggerz is entrepreneur and managing director of Iceventure.

1 Kommentar

  • Ein sehr informativer Artikel. Zu diesem Thema kommen ja doch sehr viele Fragen auf, da ist ein solcher Artikel doch sehr hilfreich und wird einigen eine große Hilfe sein auch einiges besser zu verstehen.

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