SaaS – der aktuelle Stand der Industrie
De Notwendigkeit, sich durch Nutzung von Software einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen bzw. wettbewerbsfähig zu bleiben, führte zur ständig steigenden Nachfrage für Software in allen Industriesektoren und Dienstleistungsbereichen. Dieser Trend – auch als Digitalisierung bekannt - wurde durch die Cloud-Technologie, die die Preise von komplexer Software deutlich senkte, zusätzlich bestärkt. Von ERP und CRM bis hin zu interner Firmenkommunikation und Datenbearbeitung: Es gibt im Jahr 2020 für alle betrieblichen Prozesse und für alle Firmengrößen eine SaaS-Lösung.
Entsprechend hat der SaaS-Markt in den letzten Jahren ein beachtliches Wachstum erlebt. Sowohl das Geschäftsmodell SaaS an sich, dass das Abomodell (Recurring Revenue Model) prägte, als auch die vielen SaaS-Produkte sind heute präsenter denn je.
In Zahlen ausgedrückt: Der SaaS-Markt ist massiv gewachsen, von 6 Milliarden Dollar Umsatz in 2008 zu über 150 Milliarden Dollar in 2020 (Quelle).
Ist eine Konsolidierung unter SaaS-Anbietern unausweichlich?
Doch dies ist nur ein Teil der Daten. Denn auch die Zahl an Anbietern wuchs rasant, was beispielhaft an der Entwicklung von MaTech-SaaS-Anbietern sichtbar ist. Hier stieg die Zahl der Firmen von 150 im Jahr 2011 zu über 7000 im Jahr 2019, also ein Wachstum von 4500% in 8 Jahren.
Der Umsatz stieg also um einen Faktor von ca. 25, die Zahl der Anbieter stieg um einen Faktor von 45.
Damit ist auch im SaaS-Bereich eine Realität eingekehrt, die in anderen Branchen bekannt ist. Eine steigende Anzahl von Unternehmen lässt den Wettbewerb wuchs rasant, was den Druck für Anbieter erhöhte. Damit auch die Notwendigkeit sich durch Differenzierung im Produkt, durch den Preiskampf zu behaupten, alternativ zu konsolidieren oder den Markt zu verlassen.
Doch dies ist nicht das einzige Anzeichen für einen Wandel in dem bis jetzt sehr erfolgreichen Segment.
SaaS-Pricing – die ersten Anzeichen des Umschwungs
Ein wichtiger erster Indikator, der sich seit Jahren wie Daten von Iceventure, aber auch ProfitWell zeigen, sind sinkende Preispunkte bei SaaS-Lösungen. Dies bedeutet auch, dass die Error-Margin sinkt, da gleichzeitig die Kosten für Entwickler hoch bleiben. Dies ist in unseren Augen ein interessanter Indikator, der sich mit dem zweiten Punkt gefährlich ergänzt.
SaaS Lösungen als Commodity
Der zweite wichtige Punkt, wenn man Software im Allgemeinen und SaaS im Besonderen betrachtet, ist „Commoditisierung“ - im Vergleich zur Situation vor 10 oder mehr Jahren ist Software kein Engpassfaktor mehr. Wo früher Softwarelösungen für jedes nicht-triviale Problem fast von Grund auf gecodet werden mussten, und damit für viele Firmen nicht bezahlbar war, besteht heute durch die Mischung von modularem Software-Design, Plugins und Cloud-Anwendungen die Möglichkeit, Software auf allen Ebenen mit noch nie dagewesener Geschwindigkeit und verhältnismäßig geringem Aufwand zu konstruieren. Auch das erhöht die Verfügbarkeit und das Angebot von Softwarelösungen, was wiederum die Preispunkte drückt.
Gleichzeitig gibt es immer weniger Prozesse (ob wirklich gut oder nicht ist eine andere Frage) die noch nicht in (SaaS) Software abgebildet werden.
Von Point to Suite – auch mit SaaS der bekannte Umschwung der Nutzer
Ein weiterer Aspekt, der auf ein verändertes Wettbewerbsumfeld hinweist, ist der Trend von Point- zu Suite-Lösungen.
Wie bei anderen Softwareprodukten und Kategorien vor SaaS schon oft beobachtet, gibt es in regelmäßigen Abständen die Tendenz, mehrere Funktionen, Produkte und/oder Dienstleistungen gebündelt aus einer Hand zu beziehen. Treiber ist der Einkauf von Firmen, da es das Procurement stark vereinfacht. Aber genauso treiben innerorganisatorische Anforderungen an Prozessoptimierung z.B. bei dem Thema Digitale Zusammenarbeit und es effizienter ist mit weniger Lösungen zu arbeiten.
Die übliche Entwicklung innerhalb von Softwarekategorien ist, dass Firmen zunächst Pointlösungen für spezifische Probleme anbieten, da dies aus Entwicklungs- und Marketingsicht am schnellsten zu Ergebnissen führt. Wenn dann ein gewisser Kundenstamm aufgebaut ist, wird die Transformation von Point zu Suite für Software-Anbieter attraktiver, weil Kunden eine ordentliche Suite-Lösung einer Kombination mehrerer Point-Produkte vorziehen. Die Kehrseite dieser Entwicklung sind für junge Anbieter die steigenden Entwicklungskosten, die durch das Entwickeln und Integrieren verschiedener Komponenten und Funktionen entstehen. Als zweiter Punkt ist die auch das Risiko den Produkt-Markte-Fit zu verlieren zu nennen, da die Zielgruppe und Bedürfnisse sich stark verändern.
Aber auch etablierte Anbieter habe die Möglichkeit im Suite-Bereich sich auf Grund der vorhandenen Ressourcen gut zu positionieren. Ein gutes Beispiel ist dafür Microsoft mit Microsoft Teams, dass den Markt von Slack angreift.
Die nahe Zukunft des SaaS - Marktes
Wettbewerb
Was bedeutet das für SaaS-Firmen? Ein sich stark veränderndes Wettbewerbsumfeld wirkt sich direkt auf Strategie, Marketing & Sales und Kosten eines Unternehmens aus. So auch im SaaS-Bereich. Wobei grundsätzlich zu sagen ist, dass eine Marktbereinigung gut ist und auf Grund der großen Zahl der Startups sowieso zu erwarten ist und war. Dennoch bedeutet auch für erfolgreiche Software as a Service Firmen diese Veränderung eine Umorientierung.
konjunkturelle Situation
Aber im Jahr 2021 gibt es auch das Umfeld zu beachten, in dem dieser Marktveränderung stattfindet. Den Für Iceventure ist der Kontext von Ergebnissen und die makroökonomische Situation auch immer von analytischer Bedeutung. Hier gibt es zwei Themen zu nennen: Covid19 und das Ende eines langen (Super?) -Zyklusses sowohl im Konjunkturbereich als auch im Techbereich.
Um die Bedeutung dieses Arguments zu erläutern ist kurz die Besonderheit zu skizzieren. Denn in der Regel ist der Technologiesektor, speziell High-Tech, von Konjunkturschwüngen einigermaßen entkoppelt. Zum Beispiel wird Kurzarbeit momentan für Entwicklerjobs weniger oft und stark in Anspruch genommen. Dieser "Bonus" gilt aber in der heutigen Situation nicht für alle SaaS-Firmen und könnte sich gänzlich ändern.
Schauen wir uns also an, in welchem Kontext der Aufstieg von SaaS-Lösungen stattfand. Auf der Makroebene haben die meisten Volkswirtschaften eine 10-jährige Wachstumsphase hinter sich. Aber bereits seit über einem Jahr mehren sich die Zeichen, dass eine Trendwende bevorsteht. Sehr hohe Firmenbewertungen einhergehend mit gleichzeitig globaler, stark ansteigender Verschuldung, mehreren Volkswirtschaften in finanziell bedenklichen Situationen (siehe Italien), sowie geopolitischen Spannungen auf allen Kontinenten legen schon länger die Vermutung nahe, dass es zu einer Korrektur kommt und die nächste Phase des Wirtschaftszyklus beginnen wird. Ausformuliert bedeutet dies: weniger Wachstum und steigende Finanzierungskosten. In der Konsequenz verschwinden auf der Mikroebene Firmen mit schwachem Gewinn auf die eine oder andere Art vom Markt. Gewöhnlicherweise ist der genaue Zeitpunkt einer solchen Entwicklung schwer vorherzusagen; In diesem Fall ist aber klar zu erkennen, dass Covid-19 als Auslöser diese Entwicklungen beschleunigt.
Offiziell war Deutschland bereits seit 2018 auf dem Weg in die Rezession. Aber spätestens Covid-19 und die damit einhergehenden Maßnahmen wirkten wie ein Katalysator.
Dazu kommt die mögliche Heftigkeit der Korrektur aus den oben genannten Gründen. Dazu gibt es wiederum den Effekt von Covid-19 zu bedenken. Die Auswirkungen hiervon sind weitreichend, da damit eine Krise ähnlich wie 2008 bevorstehen kann.
Konsolidierung im SaaS Bereich – Was bedeutet das konkret?
Um diese Frage zu beantworten, um so CEOs einer SaaS Firma einen guten Eindruck zu vermitteln bedarf mehrere Dynamiken, die kurz angerissen werden.
So gut wie jede Konsolidierung folgt auf einem externen Trigger, der sich in einem veränderten Verhalten niederschlägt. Einer dieser Trigger im SaaS-Umfeld könnte sehr wahrscheinlich von der Investorenseite ausgehen.
Denn dem üblichen Muster des VC-Zyklus folgen wird zunächst die Zahl der zur Verfügung stehenden Finanzierungsquellen zurückgehen, wodurch die Finanzierungsmöglichkeiten und auch -kosten steigen. Das hat unmittelbare Auswirkungen auf SaaS-Firmen, da ein Großteil der Unternehmen junge Unternehmen sind, und in der zweiten SaaS-Welle gegründet wurden.
Parallel dazu steigt auch auf der operativen Seite steigt der Druck, aber mit anderen Vorzeichen als in einem bisherigen Wachstumsmarkt. In einem Szenario in dem eine steigende Anzahl von SaaS-Firmen, um eine sinkende oder um eine sehr kostenrestriktive Kundenschicht kämpft, steigen in der Konsequenz die die Cost per Click (CPC), damit die Customer Acquisition Cost (CAC), da es insgesamt weniger zahlungsbereite Kundschaft. Aber auch andere digitale Absatzkanäle, werden in Folge von Covid19 verstopfter, da Akquise gezwungenermaßen online stattfinden muss. Gleichzeitig steigt die Churn-Rate.
Das kann leicht das eine oder andere Modell brechen, wie wir bei Iceventure bereits gesehen haben. So kam es im Zuge von Covid-19 bereits zu einem Anstieg von Churn Rates mit allen Konsequenzen für LTV-Annahmen. Wenn es dann zur nächsten Finanzierungsrunde mit einem höheren/schnelleren Finanzierungsbedarf kommt, müssen diese erhöhten Kosten gerechtfertigt werden.
Dann gibt es ein Sonderszenario, was einer Marktbereinigung im Wege steht. So gibt es grade im SaaS Bereich wie auch von Christopher Jentsch beschrieben eine Reihe von SaaS-Firmen, die profitabel genug sind, um langfristig zu überleben, gleichzeitig aber kein Investementcase für Investoren sind, noch der operative Cash Flow für großes Wachstum ausreicht. Natürlich spricht nichts dagegen, aber grade das SaaS Geschäftsmodell ist auf Wachstum ausgelegt. Und der eine oder andere Gründer wird sich fragen, wie man die hart erarbeiteten Früchte ernten kann.
Egal ob als Marktführer oder als Angreifer – dieser Marktausblick verlangt proaktives Handeln. Es sollten also, sowohl von Seiten der SaaS-Firmen als auch von Investoren, die Chancen und Risiken der Handlungsmöglichkeiten nüchtern betrachtet werden.
Der SaaS-Markt kippt – was tun?
Es stellt sich also für CEOs bzw. Geschäftsführer von Software as a Service Firmen die Frage, welche Handlungsoptionen möglich sind. Hier also eine kurze Auflistung der Handlungsmöglichkeiten:
- Wachstum durch Preiskämpfe und erfolgreichen Vertrieb
- Einen Wettbewerbsvorteil durch Innovation generieren
- Kostenstrukturen optimieren, herunterskalieren und überleben
- Frisches Kapital einsammeln und wachsen
- proaktives Konsolidieren durch M&A
- den Markt verlassen
Während die meisten Optionen auch im SaaS-Bereich gut bekannt sind, gibt es eine weitere Möglichkeit, die aber selten diskutiert wird: Firmenkonsolidierung durch M&A.
M&A-Konsolidierung – was dafür und dagegen spricht
M&A im SaaS-Bereich wurden in der Vergangenheit seltener diskutiert, da Zusammenschlüsse im Allgemeinen bei SaaS mit größeren Risiken und Technologieproblemen verbunden sind.
Zum einem werden alle strategischen Fragen neu aufgerollt, von Product-Market-Fit über die Strategie bis hin zu internen Prozessstrukturen. Dies erfordert, das Einspielen der SaaS Marketing/Sales Maschine in dem neuen Unternehmen.
Hinzu kommen neue Fragestellungen wie das Konsolidieren bestehender Ressourcen und Redundanzen in den fusionierenden Unternehmen.
Speziell im Fall SaaS wird es noch komplizierter: Neben den Herausforderungen von Firmenmergern kommt das Integrieren verschiedener Technologiestacks hinzu. Je nach Produkt kann dies einfach, schwer oder quasi unmöglich sein, den Technologiestack zu integrieren.
Auch der Marketing/Sales-Prozess ist nicht ohne weiteres zu konsolidieren.
Andererseits sind M&As in manchen Fällen der einzige Weg für Firmen. Für Marktführer kann es der Weg zu weiterem Wachstume sein, das auf Grund der (kleinteiligen) Marktstruktur sonst nicht ohne weiteres möglich wäre. Aber auch für Angreifer ergeben sich Möglichkeiten. Denn bei zurückgehendem Umsatze in Kombination mit einem Versiegen von Finanzierungsmöglichkeiten ist ein Verkauf eine Möglichkeit, um den bisher generierten Firmenwert zumindest teils zu retten.
Um den Nutzen von M&As für Unternehmen und Investoren zu ermitteln, sei es als Exit-Strategie von Investoren, als Wachstums Strategie von SaaS-Firmen, oder als Investitionschance oder Expansionsversuch, sind zahlreiche Fragestellungen zu beantworten und professionelle Vorbereitungen nötig, von einer internen Due Diligence über die Marktanalyse bis hin Modellierung möglicher Szenarien.
1 Kommentar
Reine SaaS-Lösungen sind vielleicht noch nicht jedermanns Sache, aber ich kann mir gut vorstellen, das hybride Varianten für ERP und CRM je nach Betrieb durchaus interessant sind, auch wenn es sich nur um einen kleinen Betrieb mit wenigen Mitarbeitern handelt. Gerade der Trend jetzt auch zum Homeoffice durch Corona bestärkt dies extrem.
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