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Startup-Ökosystem - Was ist das? USA, EU, Deutschland und Berlin in der Übersicht

19. Juni 2014 geschrieben von   Freigegeben in info

Was ist ein Startup Ökosystem?

Unter dem Begriff Ökosystem werden alle Beteiligten an einem bestimmten Segment zusammengefasst, deren Zusammenspiel für den Erfolg oder Misserfolg des Segments verantwortlich ist. Der Begriff soll dabei verdeutlichen, dass es
a) eine Vielzahl von Akteuren (das englische Original Player) gibt
b) diese netzwerkartig durch sichtbare und unsichtbare Verbindungen im Zusammenhang stehen. Im Fall des Startup-Ökosystems sind dies alle die direkt oder indirekt mit Startups zu tun haben.
c) die Gestaltung der Verbindungen für den Erfolg (oder auch Misserfolg) des gemeinsamen Ziels verantwortlich sind.
Genauso könnte man aber auch von einem „Wiesn-Ökosystem" sprechen, der der Begriff an und für sich nicht geschützt ist.

Geschichte & wissenschaftliche Einordnung des Begriffs Start-up Ökosystem

Der Begriff Startup Ökosystem ist relativ neu. Er ist – Stand meiner Kenntnis – eine direkte Ableitung des Begriffs Innovationssytem.
Das Startup Ökosystem ist dabei als Untersegment des Innovationssystems zu verstehen, da Gründungen eine Möglichkeit der Innovationsverwertung sind. Innovationssysteme sind in der wissenschaftlichen Literatur gut beschrieben.
Viele der Konzepte, auch wenn erste Ansätze bereits älter sind, gehen dabei sowohl auf das MIT als auch auf Michael Porter zurück. Die Denkweise und Ansätze der Methodiken ist stark von Porters Konzept des nationalem Wettbewerbsvorteil geprägt. Hintergrund war der gefürchtete Rückfall der USA gegenüber Japan in Bezug auf Innovationskraft. Aus dieser Zeit stammen die Konzepte des Business Plan Wettbewerbs, aber auch damit verwand Cluster und Technologieparks.
Auch die Arbeiten zur Tripple Helix, einem Symbol des Zusammenwirkens von Firmen, Regierungen und Universitäten für Innovation von Loet EYDESDORFF, hat die Begrifflichkeit und das Verständnis geprägt.

Bedeutung des Startup Ökosystems

Unternehmensgründungen vor allem im High Tech Bereich wird deswegen so viel Bedeutung beigemessen, da sie statistisch ein hohes Wachstum aufweisen und Arbeitsplätze schaffen. So zeigt eine amerikanische Langzeitstudie, dass ca. 3 Millionen Jobs netto von jungen Firmen neu geschaffen werden, währen alte Firmen netto Jobs abbauen.

Zwei der bekanntesten Beispiele eine Startup-Ökosystems

Das weltweit bekannteste Beispiel ist das Silicon Valley. Das zweite bekannteste Ökosystem ist Tel Aviv, Israel, dem ein eigenes Buch, Start-up Nation, gewidmet wurde.
Beide Beispiele zeichnet eine hohe Vernetzheit und Informalität sowie schnelle Umsetzung aus. Ebenso haben beide Länder als einzige komplette Venture Capital Zyklen durchlaufen.

Welche Akteure, Aktivitäten und Institutionen machen ein gutes Gründungsumfeld aus?

Startup Ökosystem Deutschland EU BerlinEs gibt keine endgültige Meinung, welche Beteiligten zu einem Gründungsumfeld zwingend dazu gehören. In der Regel werden Gründer, meist Studenten oder Akademiker, und Investoren genannt. Aber auch Anwälte, Berater, erfolgreiche Unternehmer, die als Leitbild und Mentor gelten, werden oft aufgezählt.
Wichtige Aktivitäten sind Ideen und Business Plan Wettbewerbe, ebenso Events zum Austausch von Informationen meist in Form von anekdotischen Vorträgen von erfahrenen Gründern oder Investoren. Auf der institutionellen Ebene sind Entrepreneurship-Zentren oder Gründungsberatungsbüros zu nennen.

Beteiligte und Aktivitäten nach Brad Feld

Der bekannte Investor Brad Feld hat das wohl einzige Buch zu dem Thema als Praktiker geschrieben. Er nennt:
Entrepreneurs, Regierungen, Universitäten, Investoren, Mentoren, Service Provider und große Firmen als Beteiligte.
Seine Aktivitäten und Institutionen umfassen:
Startup Weekends, Aktivitäten von studentischen Vereinigungen und Acceleratoren.

Problem der Startup Community Empfehlungen & Literatur
Aus der Erfahrung gibt es zwei große Problemfelder bei der Umsetzung der angeführten Beispiele in Europa.
Das erste ergibt sich aus der Tatsache, dass in der Regel die „best practice"-Beispiele aus den USA übernommen werden. Dabei wird der spezifische kulturelle Kontext der oft indirekt in diesen Konzepten und Aktivitäten eingearbeitet ist nicht beachtet, was zu tendenziell schlechteren Ergebnissen führt. Der Kontext des europäischen Innovationssystems wird nicht ausreichend berücksichtigt.

dieses Interview (Mai 2016) mit Prof. Lechner zeigt sehr gut einige der Probleme auf:

Überstarke Institutionalisierung in Europa
Viele Aktivitäten und Maßnahmen wurden oft aus politischen Maßnahmen für mehr Wirtschaftswachstum initiiert. Als Folge davon sind im Durchschnitt viele Einrichtungen geschaffen, die das Thema Gründung als (Mit-)Aufgabe haben. Im Zuge dieser Maßnahmen wurden auch viele Universitäten mit entsprechenden Einrichtungen ausgestattet in der Erwartung, dass diese in der Community eine Führungsrolle übernehmen.
In der Praxis gibt es dabei allerdings Probleme, da Institutionen sich zum einen den bekannten innerinstitutionellen Reibungen ausgesetzt sehen, zum zweiten da es durch die Überinstitutionalisierung zu falschen Erwartungen kam. Damit ist gemeint, dass die Institutionen – manchmal als Hardware bezeichnet, vor der kritischen Masse an Personen – Software - entstanden sind. Diese können dann oft nicht die Erwartungen erfüllen, was die Finanzierung in Frage stellt.
Auch wurden die Rollen umgedreht. Z.B. müssen die von Feld eigentlich als Feeder eingeordneten Universitäten eine Leaderrolle übernehmen, was sie nicht können und die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit externen Partner in manchen Fällen einschränkt. Dies lässt sich analog auch auf andere Einrichtungen übertragen. So kommt es oft zu einer Menge und Ausrichtung von Aktivitäten für Stakeholder, während dynamische Inputs und Aktivitäten vom Markt gefiltert werden. Das Problem für Gründer und das Ökosystem ist hierbei, dass sie oft Standartaktivitäten und allgemeingültige Ratschläge bekommen, nicht aber ideenspezifische Strukturierung, wodurch sie Zeit verlieren.

Diese Erfahrung wird durch viele institutionelle Projekte bestätigt.

Die Rolle von Venture Capital für das System

Eine besondere Rolle wird der Verfügbarkeit (und Investitionen) von Risikokapital beigemessen und gilt als Gradmesser für ein gutes Ökosystem. Nachdem das VC-Volumen in Europa weit hinter dem amerikanischen Volumen zurück liegt, war es ein häufiger Untersuchungsgegenstand und Anlass für politische Initiativen, zusätzliche Gelder bereit zu stellen.
Als notwendige Rahmenbedingungen oder Erklärung für die geringen europäischen Aktivitäten für mehr VC wurden dabei häufig rechtliche Rahmenbedingungen, steuerliche Anreize und ein fehlender Exitkanal über Börsen identifiziert. Diese Erklärungen sind valide, aber nicht ausreichend, hatte z.B. Italien bereits vor Jahren einen der erfolgreichsten Corporate VCs. Auch das Dealsourcing fand in diesen Studien kaum Beachtung.
Aus Folge gab es viele mit öffentlichen Geldern ausgestattete VCs.
Generell lässt sich sagen, dass VC in vielen europäischen Ländern Nachholbedarf hat und bis jetzt aus Sicht eines Industrielebenszyklus eher eine Pilzform aufweist.
Erst kürzlich hat der europäische Raum angezogen, angeführt von Deutschland, wo neben neuen Funds und Acceleratoren, viele Unternehmer mit erfolgreichen Exits nun als Investoren auftreten. Ein Zeichen, dass das Ökosystem gestärkt wird.

das europäische Startupsystem - Stand und Besonderheiten

Grundsätzlich kann man sagen, dass Europa immer im Vergleich zu den USA lange Jahre beim Thema Startup zurück lag. Dies hat sich in vielen Ländern auch als Folge der Wirtschaftskrise geändert. So entsteht grade eine Reihe von, meist städtebezogenen, Aktivitäten, die zu neuen Startupzentren in Europa führen könnten. Allerdings sind viele Aktivitäten, Projekte und Startups im Hinblick auf Qualität und Investitionsreife im Verglich zu Amerika noch nicht zu einem entsprechenden Reifegrad gelangt.

Das deutsche Startup-Ökosystem
Das deutsche Ökosystem war und ist hier keine Ausnahme, auch wenn es vereinzelt schon länger lokale Anstrengungen gab, dies zu ändern.

München
Ein Beispiel ist der Münchner Business Plan Wettbewerb (heute Evobis), der bereits seit 1996/97 ausgerichtet wird. Auch die UnternehmerTUM findet im gleichen Zeitraum ihre Anfänge, natürlich ganz anders als heute, was auf die langen Entwicklungszeiten im europäischen Ökosystem hinweist. So hatte eine lange Zeit eine Mehrzahl der erfolgreichen deutschen VCs ein Büro oder ihren Firmensitz in München. Heute wirkt München gegenüber Berlin etwas abgeschlagen, auch wenn es in 2014 eine Vielzahl neuer Initiativen gibt. Auch versucht sich München eher als B2B-Startup-Stadt zu vermarkten.

Berlin - aufstebendes Startup-Ökosystem
Der große Newcomer, auch international, ist Berlin einmal als eigener Startup-Hub und anderseits als Synonym für das aufstrebende dt. Ökosystem. So gab es - Stand Juni 2014 – die meisten VC-Investitionen in Berliner Firmen. Auch ist Berlin Ausrichtungsort für viele internationale Events von medialen Größen der Startup Szene geworden. Ebenfalls positiv wird die Ansiedlung von US-Investoren gesehen, dass allgemein als ein Zeichen von vorhandener Qualität der Startup Projekte gilt.
Aus der analytischen Sicht des Beraters und systemischer Perspektive ist allerdings die Tatsache interessant, dass Berlin nicht durch gezielte Programme oder Förderung die Entwicklung zum Startup Hub gemacht hat. Die Faktoren billiger Wohnraum und junge kreative Personen hat hier eine größere Rolle gespielt.
Allerdings muss es sich auch erst zeigen, ob Berlin den hohen Erwartungen auch in einem sogenannten Downturn standhalten kann und sich nachhaltig etabliert.

Quellen und Lektüre:
Startup Communities von Brad Feld
The Triple Helix: University-Industry-Government Innovation in Action
Langzeitstudie
Interne Studien zu Innovationssystemen und Startupaktivitäten (mehrere europäische Länder)
Projekte für institutionelle Kunden
Early Stage Venture Capital in Europa

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